Karstadt schließt, Leerstand droht. Was bedeutet das für die Innenstädte?
Die Initiative #Stadtretter bietet betroffenen Städten eine Plattform zum Austausch
Seit die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof Mitte Juni verkündete, bundesweit fast jede dritte Filiale aufzugeben, sind die Sorgen groß. Für 56 der insgesamt noch 172 Kaufhäuser ist das Aus besiegelt. Auch die 20 Filialen von Karstadt-Sport sollen schließen.
Betroffen von den angekündigten Schließungen sind auch viele Städte, die zum Netzwerk „Die Stadtretter“ gehören. „In unserem Netzwerk war ,Karstadt’ sofort ein großes Thema“, sagt Stadtretter-Mitgründer Boris Hedde. „Uns war es daher wichtig, schnell zu handeln und eine Plattform zu schaffen, auf der sich unsere Netzwerk-Partner austauschen können“.
Die Stadtretter haben in dieser Woche erstmals eine virtuelle „Round Table“-Konferenz zum Thema Karstadt-Schließungen veranstaltet. Beim Auftakt waren Vertreter vieler betroffener Kommunen dabei. „Die offene Diskussion am Runden Tisch war sehr positiv. Best-Practice-Beispiele haben gezeigt, dass die Karstadt-Schließungen auch Chancen bergen“, sagt Stadtretter-Mitgründer Stefan Müller-Schleipen.
Wichtig ist jedoch: Keine Zeit verlieren. „Die Leerstandswelle, die durch die Karstadt-Schließungen auf uns zurollt, ist gewaltig – und vor allem ist sie vorhersehbar“, sagt Ariane Breuer. Die Stadtretter-Mitgründerin erachtet es aus diesem Grund als extrem wichtig, dass sich die Verantwortlichen aus Stadtplanung und Wirtschaft schnell an einen Tisch setzen, um nachhaltige Konzepte zu entwickeln.
Besprochen wurde bei der virtuellen „Round Table“-Konferenz etwa das Best-Practice-Beispiel Iserlohn. Dort ist die Stadt Eigentümerin des Gebäudes, in dem Karstadt ansässig ist. Insofern haben die Stadtvertreter auch in der jetzigen Situation die Zügel in der Hand, wenn es gilt, eine Entwicklung mit und ohne Karstadt zu planen. Sie können die Wahrscheinlichkeit reduzieren, dass es durch die Karstadt-Schließung zu einem dauerhaften Leerstand kommt.
Auch der Standort Hanau diente bei der virtuellen „Round Table“-Konferenz als Beispiel dafür, wie mit der Schließung eines Kaufhauses umgegangen werden kann. Das erfolgreiche „Forum Hanau“ konnte nur entstehen, weil durch den Abriss eines Karstadt-Warenhauses der nötige Platz entstanden war. Das Beispiel aus Hessen zeigt, wie Projektentwickler und Stadt gemeinsam ein Konzept zum Umgang mit Leerstand entwickeln können, von dem die gesamte Innenstadt profitiert. „Es ist eine Blaupause, wie mit den Karstadt-Schließungen umgegangen werden kann“, sagt Müller-Schleipen, „weil sie dort den Prozess schon hinter sich haben.“
Vertreter der Stadt Mönchengladbach präsentierten den Teilnehmern der „Round Table“-Konferenz ein weiteres Best-Practice-Beispiel, bei dem Digitalisierung und Innenstadtlogistik aufeinandertreffen: In einem ehemaligen Leerstand ist ein „Micro Fashion Hub“ eingerichtet worden, mit dem die Kundenfrequenz in der Innenstadt gesteigert werden kann. Online-Kunden lassen sich ihre Einkäufe zum „Hub“ schicken, vor Ort probieren sie die Ware an – und bei Nichtgefallen schicken sie die Modeartikel gleich wieder zurück.
Künftig sollen die „Round Table“-Gespräche fortgesetzt und ausgebaut werden. So ist beispielsweise geplant, den die Besonderheiten des Standorts Berlin in den Fokus zu rücken. In der Hauptstadt kommt dem Austausch zwischen Wirtschaftsförderung und den Bezirken eine besondere Bedeutung zu, da dort sechs Häuser von Karstadt und Kaufhof schließen sollen. Bald sollen zudem neben Vertretern der Kommunen auch Experten aus der Privatwirtschaft mit am runden Tisch sitzen.